von Otto Reutter
Ich hab ein Haus in Berlin, das ist noch wie neu,
bloß ganz oben, da ist was entzwei.
Nun fehl'n da ob'n ein paar Steine, 's müssen neue dorthin.
Ich sagt zu 'nem Maurer: "Na, die sind doch bald drin!"
"Aber gewiss, lieber Mann, da fang'n wir gleich an!"
Also um acht soll er ankomm'n, ne Stunde vergeht,
da seh ich ihn rankomm'n – ich sage, 's ist spät!
Nee, sagte er, 's ist neune, 's ist die richtige Zeit.
Der Weg zählt doch mit, und ich wohne sehr weit.
Ick wollt' die Straßenbahn nehm' – keine zu sehn,
ick ruf 'n Auto – besetzt! – na, da musst ick doch gehn.
Aber nun geh'n wir 'ran – nu' fangn wir gleich an!
Na, nun sieht er sich um, recht gründlich, exakt.
Was er mitgebracht hat, wird ausgepackt.
Er guckt rauf nach dem Haus. Da fehlt 'n Stein an dem Fleck.
Also nimmt er 'nen Stein – und legt ihn gleich wieder weg.
Er sucht erst 'ne Leiter, um nach oben zu gehn,
trägt sie acht Schritte weiter – da schlägt es zehn.
Na, nu' frühstückt er 'n bissken, holt sein Pülleken raus.
Steckt die Pfeife in Brand – die geht fünfzehnmal aus.
Und wie sie brennt, sagt er dann: Nu fang' wir gleich wieder an.
Er nimmt noch ne Prise – es ist über elfe –
dann nimmt er den Stein – s ist noch immer derselbe.
Da muss er niesen – der Kopf wird ihm schwer –
er legt den Stein wieder weg – denn sonst gibt's ein Malheur.
Er sucht nach nem Tuch – er hat leider keins –
ich sage: 's ist gut – hier haben sie meins!
Nun fühlt er sich wieder wohl – wie 'n Fisch in der Elbe,
und dann nimmt er den Stein, 's ist noch immer derselbe –
und will auf die Leiter – da schlägt es zwölfe!
Na, nu legt er den Stein wieder weg – seine Frau bringt das Essen –
nach so 'ner Arbeit, da schmeckt's – es wird feste gegessen.
Sie setzt sich zu ihm – er setzt sich zu ihr,
es gibt Karbonade und Gurken und Bier. –
Dann liest er die Zeitung und sagt entrüstet zu ihr:
Du, da streiken sie wieder – die soll'n schaffen, wie wir!
Dann gibt er ihr n Küssken,
dann schläft er 'nen bissken –
und dann schlägt die Uhr zwei –
da ist schon die kurze Pause wieder vorbei.
Nu, sagt er, geht's ran – jetzt fang'n wir gleich an!
Nun wird der Lehm umgerührt – der weiche, der gelbe,
und dann nimmt er den Stein – 's ist noch immer derselbe.
Da wird ihm schlecht – die Gurken, das Bier –
er legt den Stein wieder weg und nimmt sein Zeitungspapier,
denn der Stein wäre wen'ger geeignet dafür
und geht an ne Tür, da steht dran "hier",
kommt nach drei wieder raus aus dem kleinen Gewölbe,
und dann nimmt er den Stein – 's ist noch immer derselbe –
und geht nun wirklich, ohne Rast, ohne Ruh,
mit dem Stein auf die Leiter, wat sagen se nu?
Die hat zwanzig Sprossen – jede 'n fussbreit entfernt,
aber er geht unverdrossen – gelernt ist gelernt.
Da, bei der achzehnten, hält er. Die Uhr schlägt vier.
's ist Feierabend – und er steht hier –
nicht oben, nicht unten – die Sache geht schief.
Er darf nicht mehr weiter – nach 'm Tarif.
Er hat noch zwei Sprossen – aber er darf sie nicht gehn –
oder achzehn nach unten – ja, aber nicht mit 'm Steen.
Was soll er nun machen – so nah am Ziel?
Er schwankt zwischen Arbeits- und Pflichtgefühl.
Aber 's Pflichtgefühl siegt – 's ist egal, sagt er grob
und er lässt den Stein fallen – und mir uff 'n Kopp.
Und wie ich schimpfe, sagt er:
"Warum stehn sie denn hier?
Wir brauchen ihr 'n Kopp nicht –
Sie könn' ja schaffen wie wir!"